Matchstick Man

Mark Knopfler erzählt bei seinen Konzerten vom Machstick Men eine autobiografische Geschichte, aus die er diesen Song geschrieben hat. Wie er für ein Vorsingen von Griechenland nach Brindisi getrampt ist. Er wollte an Weihnachten nach Hause, hatte aber kein Geld für den Zug. Deshalb dachte er sich, er könne von Penzance aus per Anhalter heimfahren. Ein LKW-Fahrer nahm ihn bis Newcastle mit. Das seien ungefähr 500 Meilen respektive 800 Kilometer gewesen.

Ungefähr 5 Uhr morgens sei es gewesen, als der Trucker ihn an einem Kreisel rausgelassen habe. Überall lag Schnee, die Sonne schien und weit und breit keine Menschenseele unterwegs. Es war ja auch Weihnachtsmorgen. Das sei wohl eine blöde Idee gewesen, so heimreisen zu wollen. Da stand er nun mit seiner Gitarre und dachte sich: «Das ist das Leben, das du dir ausgesucht hast. Du Idiot!».

Das ging mir durch den Kopf, als ich an einem Freitag im Juni bei einsetzendem Regen an der Startlinie zum 61. 100 km Lauf stand. Was mache ich hier überhaupt, niemand hat mich eingeladen. Nur weil meine Trainingszeiten in den letzten Monaten einen ziemlichen Aufwärtstrend zeigten, meinte ich, dass sei eine gute Idee, dies über die legendäre Stecke in Biel über 100 Km unter Beweis zu stellen.

Spätestens als ich das Startgeld überwiesen hatte, kamen mir Zweifel, ob die Idee wirklich so gut sei. Habe für mich alles erreicht in Biel, alles erlebt. Zu Hause wartet ein Kühlschrank mit Bier und ein warmes Bett und ich will mir das antun? Bei so viel negativen Gedanken brauche ich gar nicht starten. Laufe trotzdem erst einmal los.

Trotz des feuchten Wetters, hat es viele begeisterte Zuschauer in Biel und später in den Dörfern.

Habe ein gutes Tempo, aber eine Reizung über dem grossen Zeh, die mich die letzten Monate begleitet, macht sich schon zeitig bemerkbar. Weiss nicht, wie weit ich so komme. Auf jeden Fall keine Hundert Kilometer. Nach Aarberg mit dem stimmungsvollen Marktplatz weiter nach Lyss, wo die Radfahrbegleiter nach über 20 Km zustossen.

Mittlerweile ist der dumpfe Schmerz im Zeh zu einem Stechen geworden, die erste Teilstrecke in Oberramsern wartet auf mich. Ziehe trotzdem weiter. Kirchberg ist heute mein Ziel. Das sind 56 km, man bekommt ein T-Shirt und wird als Teilstrecke gewertet. Ich weiss, das fühlt sich hinterher auch nur als Teilstrecke an, aber heute geht nicht mehr.

Lege mir die Kopfhörer an. Meine Playlist ist auf Zufallswiedergabe gestellt und beginnt mit „Matchstick Man“

„Und du, du bist ein Vagabund
Niemand hat dich eingeladen, du kennst
Matchstick Mann, oben in der Morgendämmerung.
Du hast noch fünfhundert Meilen vor dir.“

Mit der Musik geht es besser, kann sogar leichte Steigungen joggen. Was macht eigentlich der Zeh? Gar nicht so schlecht, eigentlich erträglich.

Irgendwann kommt dann Kirchberg. Das wars für Heute! Linzer Törtli und Orangenstücke sind fabelhaft. Setze mich mit meinem Tee auf die Bank in der Festwirtschaft. Da es schnell kühl wird bleibe ich nur kurz. In dem Moment wo ich aufstehe um zum Bus zu gehen, sagt eine Frau zu mir, die meine rote Startnummer sieht: Viel Glück.

Der warme Doppelstockbus steht bereit. Ich laufe an ihm vorbei in den berühmt-berüchtigten Ho-Chi-Minh Pfad!

Das ist noch immer mehr als ein Marathon, der vor mir liegt. Wie soll ich das schaffen?  «Das ist das Leben, das du dir ausgesucht hast. Du Idiot!»

Da die Emme dort renaturalisiert wird, laufen wir nicht auf dem Emmendamm, der wegen seiner Wegebeschaffenheit Ho Chi Minh Pfad genannt wird, sondern werden wir auf einer schmalen Asphaltstrasse umgeleitet. Nur das letzte Stück nach dem Verpflegungsposten Utzenstorf geht noch auf dem Emmendamm. Da die Dämmerung eingesetzt hat, ist das keine grosse Herausforderung mehr.

Was für ein Morgen. Nach Regenschauern in der Nacht laufen wir jetzt in einen sonnigen Tag. Die letzte markante Steigung nach Bibern darf man gehen. Ich grüsse die Schafe auf dem „Gipfel“. Nun geht es runter nach Arch, wo es noch nicht enden wollende 18 km sind. Dass ich nun Gehpausen einstreue, ist egal. Hätte am Vorabend nie gedacht überhaupt so weit zu kommen. Ein Runner´s High jagt das nächste auf der Telegraph Road. Weine ein letztes mal zum „Matchstick Man“, der mich durch die Nacht gerettet hat. Letztes Selfie bei Km 99 und die letzten Tausend Schritte geniessen.

Im Ziel begrüsst mich der Speaker zum 11. Finish und meinte, im nächste Jahr könne ich das Dutzend voll machen…

Weitere Bilder hier.

Ein weiteres Kapitel Biel

Es sollte der krönende Abschluss sein, als ich vergangenes Jahr zum 10x die 100 km von Biel beenden durfte. Ein Lauf der mich meine ganze Laufkarriere begleitete.

Angefangen mit meinem allerersten Wettkampf überhaupt. Vor genau 21 Jahren lief ich den, seinerzeit noch tagsüber ausgetragenen Marathon, in einer für einen Marathonneuling erstaunlichen Zeit von 3:13. Da muss mich wohl das Virus Biel befallen habe, auch wenn ich im Folgejahr nochmal „nur“ den Marathon gelaufen bin. Am 11. Juni 1999 bin ich dann zu meinem allerersten 100 Km Lauf von Biel gestartet. Ohne GPS Uhr, ohne Fahrradbegleiter, nur mit einer Handtaschenlampe ausgerüstet, die mir den berühmten Ho Chi Minh- Pfad nur spärlich ausleuchtete und einer Zeit in der ich dieses Jahr 11. geworden wäre, seinerzeit 26.

Zwei Jahre später, dann schon mit meinem mehrfachen Radbegleiter Jürg, meine Bestzeit von 8:06,26, die ich Jahre später kaum nachvollziehen kann und sicherlich der sportliche Höhepunkt meiner bescheidenen Läuferkarriere ist, auch wenn ich die Zeit nicht auf meine Wade tätowiert habe . Es folgten mit einigen Unterbrüchen noch einige Starts, bis ich vergangenes Jahr den Sack mit meinem 10. Finish zumachen wollte.

Wären da nicht die Erinnerungen, die mehr sind als Zeiten. Im Nachhinein vergisst man die Strapazen und Schmerzen, die zum Hunderter dazugehören, wie die Nacht. Es bleibt das ungemeine Glücksgefühl, wenn man aus der Komfortzone geht, etwas  leistet, wozu nur die Wenigsten in der Lage sind und noch weniger dazu bereit sind. Tagelang schwebte ich wie auf einer Wolke, wenn ich es mal wieder geschafft hatte, diese unfassbare Strecke zu bewältigen.

Das noch ein allerletztes Mal erleben!

Fühlte mich fit und motiviert als ich zur Nacht der Nächte aufbrach. Hatte anfangs ein gutes Gefühl und dachte auch, nicht zu schnell gestartet zu sein. Der Wechsel von toller Stimmung und absoluter Ruhe in der Nacht sind immer wieder faszinierend. Natürlich werden die Beine immer schwerer, da und dort schmerzt es. Doch nach 30 km wurden die Probleme immer grösser, versuchte mit Gehpausen und Lockerungsübungen wieder in Trab zu kommen. Der Rücken schmerzte immer mehr. Der Kulminationspunkt ist Kirchberg, nach 56 Km. Dort kann man aussteigen, wird noch gewertet, oder läuft weiter, in den berühmt-berüchtigten Ho Chi Minh-Pfad.

Schweren Herzens, aber zweifelsohne vernünftig, entschied ich mich zur Aufgabe. Richard Tonolla wird hoffentlich das Bild nicht veröffentlichen, welches mich als Häufchen Elend in einer Ecke, abseits der Festwirtschaft zeigt.

So endet mein Bieler Karriere vorläufig statt mit einer Überdosis Endorphine, mit einer schweren Enttäuschung, die es zu verkraften gilt.

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Es machte die Runde, dass man nach dem diesjährigen 60. Jubiläum die Strecke ändern, vielleicht sogar die Strecke auf mehrere Runden aufteilen wolle. In der Garderobe sprach ich Jakob Etter, bis vor einem halben Jahr OK Chef, darauf hin an. Er meinte, dass man sich Gedanken mache, wie man die Bilder Lauftage auch in 10-15 Jahren attraktiv halten könne, und das eine Streckenänderung aktuell-also für das nächste Jahr, kein Thema sei.

Hoffe, man dreht bei der Modernisierung nicht zu sehr an der Schraube. Der Swiss Alpine, der den legendären K78 einfach gestrichen hat, sollten Warnung genug sein, wie man eine etablierte Veranstaltung vor die Wand fahren kann. Das wäre etwa so, als wenn man in Biel einen 100 Meilenlauf etablieren wollte und man sich wundert, dass niemand mehr die Originalstrecke laufen will. Ist nur ein fiktives Beispiel, aber so ähnlich ist es beim Swiss Alpine gelaufen.

Bin mir freilich bewusst, welchen Aufwand es bedeutet, eine grosse Runde über 100 Km zu organisieren und sichern und dass man mit dem Startgeld der Hunderter so etwas nicht stemmen kann. Hoffe, in Biel trifft man die richtigen Entscheidungen, um die Legende „100 km Biel“ auch in der Zukunft attraktiv zu halten. Nicht ausgeschlossen, dass man mich dort nochmal trifft…

 

 

Atemlos durch die (Bieler) Nacht.

Hundert Kilometer laufend zurückzulegen, konnte ich mir nur von rauschbärtigen Spinnern vorstellen. Als ich im Juni 1997 meinen ersten Wettkampf lief, war das der seinerzeit am Tag ausgetragene Marathon in Biel. Zwei Jahre später stand ich dann, glatt rasiert, an der Startlinie zu meinem ersten 100 Km Lauf in Biel, damals noch beim alten Eisstadion.

Dieser Lauf sollte mich die nächsten Jahre in seinen Bann ziehen. Zur endlos langen Distanz, kommt noch erschwerend dazu, dass 22 Uhr gestartet wird. Also entgegen des gängigen Tagesrhythmus. Bei meinem 3. Start konnte ich, bei strömenden Regen, meine Bestzeit von 8:06,26 aufstellen. Im Nachhinein für mich eine unvorstellbare  Zeit.

Verletzungsbedingt gab es dann Unterbrüche oder ich konnte den Lauf nicht beenden. Für die 100 Km brauchte ich immer länger, das aber nicht, weil ich es gemütlicher nehme wollte…

 Vorläufige Höhepunkt war der Hunderter 2011, bei dem auch Olympiasieger Dieter Baumann am Start war. Er allerdings 10 Minuten nach mir im Ziel…

Da Zeiten und Platzierungen nicht mehr zu toppen waren, war nun mein Ziel: 10×100 Km.

An diesem Ziel habe ich mir wortwörtlich die Zähne ausgebissen. Vor 3 Jahre fiel mir eine Zahnprothese beim Biss auf ein Stück Banane heraus. Die Zähne habe ich dann 95 km im Rucksack nach Biel getragen…

Nach verletzungsbedingter Aufgabe im vergangene Jahr habe ich nun in der Vollmondnacht vom 9. auf den 10. Juni ein für mich wichtiges Ziel erreicht.

Optimale Bedingungen, trocken, nicht zu heiss und Vollmond. Auf gehts zur  Nacht der Nächte. Lief anfangs ganz gut. Tolle Stimmung in der Stadt und später in den Dörfern.

Die wenigen steilen Steigungen laufe ich vorsichtshalber langsam oder gehe. Man versucht seinen Rhythmus zu finden, redet nicht. Der Laufsportverein Basel steht mit einem Auto an der Strecke. Aus dem Radio singt Helene Fischer: „Atemlos durch die Nacht“. Gänsehaut, obwohl ich keine Schlager mag.

Ein paar Jungs mit Bier in der Hand rufen übermütig „Tankstelle“. Das ist mir den kleinen Umweg über die Strasse wert. Ich höre sie johlen, als ich nach einem kräftigen Schluck aus dem Glas weiterziehe.

Dass die Beine irgendwann schwer werden, ist vorhersehbar. Aber ich lege schon vor der 50 Km Marke erste Gehpausen ein. Kulminationspunkt Kirchberg nach 56 Km. Dort würde man als Teilstrecke gewertet, wenn man der Versuchung auf einen Platz im warmen Bus nachgibt. Nichts da, weiter auf den berühmt-berüchtigten Ho-Chi Minh Pfad. Dort habe ich mich bei der Verpflegungsstelle mit Armin Käser verabredet. Er, an der Strecke wohnend, ist den Hunderter selber gelaufen, später Daniela auf dem Rad durch die Bieler Nacht begleitet.

Er fragte, was er mir gutes tun kann? Ein Auto in der Nähe, mit dem er mich zurückfahren kann, scherze ich und belasse es bei einem Schluck Burgdorfer Bier.

Raus aus dem Ho Chi Minh, den ich sturzfrei überstanden habe, krame ich meine Kopfhörer aus dem Rucksack. Die Musik soll mich von den immer längeren Gehpausen abhalten. „Gefährlich ist wer Schmerzen kennt, vom Feuer das den Geist verbrennt“, schreit mir Till Lindemann in die Ohren. Doch das Feuer in mir lodert nur. Kann zwischen den Gehpausen nur noch gelegentlich joggen.

So werden die letzten knapp 20 Km der Aare entlang nach Biel zur Ewigkeit. Aber wo ist das Problem? In welcher Zeit ich ankomme, interessiert niemanden, Bestzeiten sind Vergangenheit. Es ist doch Luxus, nach einer durchlaufenen Vollmondnacht eine prächtigen Tag erwachen zu erleben. Singende Vögel, duftendes Heu, traumhaftes Morgenlicht.

Büren an der Aare, 12 Km noch bis ins Ziel. Vorbei an gedeckten Frühstückstischen, letzter Punkt der offiziellen Fotografen. Für mich gilt es, die letzten Kräfte zu mobilisieren, die letzten Trümpfe aus dem Ärmel zu ziehen.

Speedway at Nazareth„- Runners High in Überdosis. Weit vor mir Laufende drehen sich nach mir um, so laut schreie ich schon beim ersten Geigenton.

Noch 3 Km, Telegraph Road. Ich gehe nicht mehr, ich laufe nicht, ICH FLIEGE!

Letzter Stopp für das wohl beliebteste Fotomotiv in Biel.

10×100 Km Biel geschafft! Überglücklich!

Die Bieler Lauftage begleiten mich seit 20 Jahren. Das Ziel habe ich 10 Mal erreicht. Es war immer etwas Besonderes. Nach so einem Zieleinlauf schwebt man tagelang auf einer Wolke, unabhängig von der Endzeit. Gefühle, die ich in meinem Leben durch nichts anderes erlebt habe. Eine Droge ohne Kater, Absaits der Komfortzone. Das wird bleiben.

 

Die Legende lebt

Wenn ich vernünftig bin, war es mein letzter Bieler Hunderter.“ So war genau vor einem Jahr an gleicher Stelle zu lesen.

Vernunft hin und her. Nach einem Jahr vergisst man die Schmerzen und Strapazen so eines Laufes. Was bleibt ist das Erfolgserlebnis, so eine Strecke bewältigt zu haben.

Also habe ich in den letzten Monaten ein paar längere Trainingsläufe gemacht sowie in Malta und Muttenz die Marathondistanz absolviert. Ich fahre nicht mehr nach Biel um mich an meine persönlichen Bestzeiten zu messen; sonst dürfte ich gar nicht mehr Wettkämpfe bestreiten.

Die gemeldete Gewitterfront hat sich verzogen und so konnte ich mich mit ca. 1300 Startern auf eine milde Sommernacht freuen. Tolle Stimmung in Biel, wo im fußballfreien Jahr viel Volk unterwegs war. 

Raus aus der Stadt gleich der Aufstieg mit gut 150 Höhenmetern nach Jens. Als Routinier lässt man gelassen die Übereifrigen überholen. Das Feld zieht sich rasch auseinander. Es wird kaum gesprochen. Nächster Höhepunkt Aarberg, mit der bekannten Holzbrücke und dem Marktplatz. Habe erst in den letzten Jahren bemerkt, dass es dort leicht bergauf geht. Das kann man in der Euphorie schnell vergessen, die im Spalier durch die Zuschauer schon mal aufkommen kann.

Weiter nach Lyss, wo die Begleiter mit dem Rad auf „ihre“ Läufer warten und kurz darauf gleich auf die erste Bewährungsprobe in Form einen kurzen Aufstieges bewältigen müssen.

Das erste Viertel liegt hinter mir, die Beine werden langsam schwerer. Es werden kleine Dörfer passiert, wo nach Mitternacht die Festbänke noch gut gefüllt sind. Je später die Nacht, um so lustiger die Zuschauer…

Kirchberg, der Kulminationspunkt des Rennens. Nach 57 Kilometern hat man eigentlich genug, es geht auf den berühmt-berüchtigten Ho-Chi-Minh Pfad. Anderseits wartet ein warmer Bus für die Rückfahrt, man wird in der Teilstrecke gewertet und bekommt ein Shirt. Auf dem steht aber nicht „Finisher“. Also gehe ich auf die Verlockung nicht ein und laufe weiter, obwohl von unten nach ober kaum ein Körperteil schmerzfrei ist.

Zu allem Überfluss neigen sich die Batterien meiner Stirnlampe dem Ende entgegen. Zum Glück hat Nina Ropertz Licht dabei und ich frage, ob ich ihr folgen darf. In angenehm gleichmässigen Tempo trotte ich ihr hinterher. An dieser Stelle nochmals danke dafür. Im Gegensatz zu mir kann sie ihr Tempo halten und wird mir bis ins Ziel über eine dreiviertel Stunde abnehmen.

Raus aus dem Ho-Chi-Minh Pfad wird es rasch hell. Nun sind kaum noch Zuschauer in den Dörfern. Ausser ein paar Jungs, die als letzte Gäste einer Party an der Strecke stehen und mir bereitwillig einen Schluck aus ihrer Bierflasche abgeben. An mir „kuhlem Siech“ haben sie sichtlich Freude. Der Schluck kühles Bier weckt bei mir wieder die Lebensgeister. Leider nur kurz. Ich muss nun öfters Gehpausen einlegen. Versuche mich mit Musik zu motivieren. Das klappt auch nicht nachhaltig. Nach 70 Km schaue ich auf die Uhr. Kurz nach 6 Uhr. Da war ich in guten Jahren schon im Ziel… Egal, weiter.

biel15-km70

 

Nach knapp 80 Km wird der höchste Punkt erreicht und man kann die Abwärtspassage nutzen, um sich zu erholen. Dumm nur, dass meine Beine so schmerzen, dass an joggen nicht zu denken ist.

Von Arch sind es nicht enden wollende 18 Kilometer der Aare entlang. Komme wieder ins Laufen und versuche die verlockenden Gehpausen knapp zu halten. Km 90, höre zum 3. Mal „Sultans of Swing“. Das legendäre Gitarrensolo beschert mir immer wieder einen wohlig, kühlen Schauer über den Rücken.  Versuche mit einer Mischung aus Cola, Gel, Orangenstücken und Musik mich immer weiter zu schleppen. „Speedway on Nazareth“ treibt mir schon bei den ersten Tönen Tränen in die Augen. Kilometer 95:“Telegraph Road“. Ich wecke mit meinem lauten „Yeah“ einen schlafenden Hund, der am Wegesrand schläft. Kilometer 99: Musik ist im Rucksack verstaut. Ich will den letzten Kilometer geniessen und treffe auf eine Fee (Tanja Höschele), die mich fragt, ob ich sie mitnehme. Zusammen laufen wir den letzten Kilometer zusammen und kommen überglücklich ins Ziel.

Das war mein 9. Finish in Biel. Gut 4 Stunden länger als vor 14 Jahren bedeutet 4 Stunden mehr Leiden und Schmerzen. Das Gefühl, so etwas geleistet zu haben wiegt aber vieles auf. Ein Gefühl, dass man mit keinem Geld der Welt kaufen kann.

Es gibt längere Läufe und härtere Läufe. Der Bieler, als einer der Ur-Ultras, bleibt für mich etwas Besonderes.

Die Legende lebt. 

 

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Nie, nie wieder.

Nie wieder Biel habe ich sicher schon öfter gesagt. Doch je näher der Termin des Bieler 100 km Laufes kam, hat es mehr und mehr bei mir gekribbelt. Da ich am Freitag schaffen musste, erwog ich den Start beim Nachtmarathon. Das verwarf ich auch wieder. Biel ist der Hunderter, Schluss aus, es sei denn, man ist Anfänger oder Greis.

So trank ich am Freitag ein Bier und ging halb 11 schlafen. Die Nacht war unruhig. Immer wenn ich wach wurde, schaute ich auf die Uhr. Wo währe ich jetzt? Aarberg, Kirchberg, Ho Chi Minh-Pfad? Erste Amtshandlung nach dem Aufstehen: die vorläufige Rangliste. Freude über die Frauensiegerin Gabriele Werthmüller, die sich den Sieg verdient hat.

Würde mal sagen, das waren ausgewachsene Entzugserscheinungen bei mir. Die werden nächstes Jahr weniger und verschwinden ganz. Aber ich fürchte, nächstes Jahr stehe ich anfangs Juni an einem Freitag Abend an einer Startlinie…

 

Gute Nacht

Die wird es hoffentlich: eine gute Nacht. Am Freitag Abend, 10 Uhr wird wieder der Startschuss zum 100 Km Lauf Biel erfolgen. Dann setzt sich der Tross auf den langen Weg von Biel nach Biel in Bewegung.  Der wohl Ur-Ultralauf schlechthin. Bin zum 14. Mal am Start. Die ersten beiden Starts noch über die Marathon Strecke, dann, wenn nicht verletztungsbedingt pausierend, über die Königsdistanz.. Wünsche allen bekannten und unbekannten Läufern ein erfolgreiches Erlebnis. Ein Dankeschön  im Voraus an die Organisatoren, die vielen freiwilligen Helfer und natürlich die persönlichen Betreuer.

Auf geht’s!

PS.: Für den Fall, es liest ein Nichtteilnehmer diesen Beitrag und kann in der Nacht auf den Samstag nicht schlafen. Hier die Möglichkeit etwas vom Biel-Feeling zu erleben: http://www.canal3.ch/DE/

Vorbereitung abgeschlossen

Die Vorbereitung für die 100 Km in Biel ist abgeschlossen. Das waren dann noch mal 2 kilometerreichen Wochenenden mit einem Training über die Marathondistanz hinaus und weiteren längeren Abschnitten. Nun kann ich die letzten 10 Tage vor der Nacht der Nächte den Trainingsumfang reduzieren und hoffen, nicht krank zu werden oder noch eine Verletzung einzufangen. Dann muss „nur“ noch der Kopf bereit sein, für die lange Nacht von Biel nach Biel.                     

Ostern

Das verlängerte Osterwochenende hat mit 95 gelaufenen Kilometern noch einmal einen ansehnlichen Trainingsblock ergeben. Da Daniela immer dabei war, gilt das auch für sie. Angemerkt sei allerdings, dass ich an 2 Tagen jeweils erst in das Training einstieg, nachdem sie bereits eine Stunde unterwegs war. Freilich unterscheiden sich unsere läuferischen Jahresziele in der Distanz der Wettbewerbe. Während mein längster der Bieler Hunderter sein soll, trainiert Daniela auf die unvorstellbare doppelte Strecke. Und das mit alpinen Höhenmetern…

Kleider machen Leute

Habe neulich einen Schreck bekommen, als ich mich im Spiegelbild einer Fensterscheibe vorbei joggen sah. Mit meiner Jacke aus dem letzten Jahrtausend sah ich doch ziemlich underdressed aus. Kein Wunder, dass mich Marco Tschannen heute an der Aare erst erkannte, als ich seinen Namen rief.

Zugegeben, die Farbkombination des fast antiken Stückes- hellgrün, blau, violett sowie mausegrau, haben den Durchbruch als Trendfarben bislang verfehlt. Anderseits, gab es bislang keinen vernünftigen Grund, mich von der Jacke zu trennen.

Das muss vor 13 Jahren beim Silvesterlauf in Britzingen gewesen sein, als ich sie erstand. War damals schon ein Auslaufmodel. Die 50 D-Mark, die ich über den Ladentisch schob, waren gut investiert.

Vor 10 Jahre, beim 100 Km Lauf Biel, trug ich sie, als es die ganze Nacht regnete. Das war meine Bestzeit. So hat die Jacke musealen Wert.

Freilich, die Reißverschlüsse sind nicht mehr taufrisch und in den Taschen sollte man kein Hausmeisterschlüsselbund transportieren. Anderseits sind die Bündchen an den Armen elastisch wie am ersten Tag und auch die Geruchsaufnahme des Materials ist minimal. (Wer regelmäßig schweißtreibenden Sport betreibt, weiß, was ich meine…)

Nun bin ich zu meinem Geburtstag mit einer neuen Jacke beschenkt worden, Mal gespannt, wie dieses trendige Markenstück in 13 Jahren aussieht.