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Kreisel im Kreißsaal
Sich
selbst
parfümierende Anzüge, Zentrifugen für Gebärende und
ein Flammenwerfer gegen Autodiebe - wieder einmal wurden in Harvard die
Ig-Nobel-Preise verliehen.
Namenswitze sind nicht statthaft, auch dann nicht, wenn ein Mensch
Grossloch heißt und im Dienste der Wissenschaft jenes Organ der
Elefanten vermisst, das bei diesen Tieren (Bruttofäkalprodukt: 150
Kilo am Tag) besonders strapaziert wird.
Leider aber gibt es allerorten unreife Naturen, auch an der Harvard
University, jenem Pantheon der Großgeister, wo jetzt eine
Auszeichnung verliehen wurde, der die Forscher-Elite der Welt
alljährlich entgegenbangt: der so genannte Ig-Nobel-Preis. Ihn
vergeben die in den USA erscheinenden "Annals of Improbable Research"
für besonders schräge ("ignoble") Forschungsarbeiten, die
"nicht wiederholt werden können oder sollen".
Da es sich bei den Annals um ein satirisches Wissenschaftsjournal und
bei der IgNobel-Jury um ein Gremium aus acht tatsächlichen
Nobelpreisträgern mit starkem Hang zum Altersjux handelt, war die
Gefahr billigen semiotischen Amüsements nicht von der Hand zu
weisen.
Doch gottlob widerstand das Ig-Nobel-Komitee, satzungskonform
komplettiert durch "zwei willkürlich von der Straße
aufgelesene Passanten", der Versuchung - was allenfalls jenen Hamburger
Kindskopf verwundern dürfte, der den am pachydermen Anus
forschenden US-Zoologen Ray Grossloch bei den Annals (von deren Witz
ein unlängst auch auf Deutsch erschienener Auswahlband
kündet*) als "hochpotenten Ig-Nobel-Kandidaten" verpetzt hatte.
Immerhin aber teilte die Jury dessen Vorliebe für konsequent auf
ausscheidungsspezifische Vorgänge zentrierte Forschungsvorhaben.
Gleich zwei einschlägige Kandidaten wurden prämiert -
für Arbeiten in den Disziplinen Sperma und Urin gab es die Preise
für Chemie und Medizin.
Scheu wie ein Klopfgeist, der Gestalt angenommen hat, mutete Dr. Arvid
Vatle an, als er das Podium der Sanders-Aula von Harvard erklomm, deren
einzigartiger Architekturstil zwischen spätem Hochzeitskuchen und
frühem Wasserklosett changiert.
Das neogotische Gewölbe erzitterte schier unter dem Jubel der 1200
Gäste, die mit Papierfliegern um sich warfen, indes der greise
Chemie-Nobelpreisträger William Lipscomb mit seiner Klarinette
fuchtelnd um Silentium bat - zu Recht, denn Dr. Vatles Studie gibt
endlich Antwort auf die uralte Rätselfrage nach dem
Gefäß, in das der Norweger bevorzugt pinkelt, wenn ihm der
Doktor für die Urinprobe kein Behältnis mit nach Hause gibt.
Als Depot für den goldenen Strahl präferiert er, so das Fazit
der im Journal der Norwegian Medical Association publizierten Studie,
ein Heringsglas der Marke "Delikat Apetittsild", gefolgt von diversen
Spirituosen-Flaschen und Deo-Rollern, aus denen der norwegische Patient
vorher aber schlauerweise die Rollkugel herauspopelt. Auf die
Aussagekraft der Urinanalyse habe die Wahl der Gläser aber keine
Auswirkungen gehabt, versicherte Vatle, da diese vor Gebrauch stets
hinreichend gesäubert worden seien.
Tumultuöse Szenen folgten bei der Verleihung des Chemie-Preises an
Herrn Takeshi Makino aus Japan, der für seine Erfindung eines so
genannten Treue-Sprays ausgezeichnet wurde: Auf die Unterhose
gesprüht, macht "S-Check" Spermaflecken sichtbar - eine Erfindung,
die Männern ungefähr so willkommen ist wie Frauen ein Piranha
im Bidet, weshalb einige versuchten, den kleinen gelben Menschen von
der Bühne zu buhen.
Ähnlicher Missmut wäre wohl auch George und Charlotte Blonsky
entgegengeschlagen, hätte es ihnen ihr Zustand erlaubt, den
Ig-Nobel-Preis persönlich entgegenzunehmen.
Das Ehepaar bekam ihn postum für die Erfindung einer
Geburtszentrifuge (US-Patent: 3.216.423), deren Wirkweise darauf
basiert, dass die Gebärende auf eine Drehscheibe geschnallt und
dann so lange im Kreis herumgewirbelt wird, bis der Säugling
herausflutscht - ein durchaus segensreiches Instrument, das Vätern
die oft enervierende Warterei sowie das damit verbundene Wehgeschrei zu
ersparen vermag.
Geradezu erwünscht dagegen sind Schmerzensbekundungen bei jenem
Geistesblitz, den der gleichfalls von Hamburg aus ins ignoble
Kandidatenspiel gebrachte Charles Fourie der Welt bescherte ():
Für seine Autodiebstahlssicherung mittels Flammenwerfer, die
Übeltäter scharf anbrät, erhielt der Südafrikaner
den Friedenspreis.
Nicht minder wiegen die Verdienste des Umweltpreisträgers Hyuk-ho
Kwon, der einen Anzug erfunden hat, der sich durch Reiben am Textil
selbst parfümiert. "Klarer Fall, zweimal Pfefferminz", befanden
die sich berubbelnden Nobel-Laureaten Dudley Herschbach (Chemie) und
Robert Wilson (Physik), die Ig-Nobel-Kollege Kwon gratis mit seiner
Aroma-Kollektion ausgestattet hatte.
Offenbar von Herrn Kwons Bonbon-Düften berauscht, bestieg in
sichtlich labiler Seitenlage Ig-Nobel-Physikpreisträger Len Fisher
das Podium - jener Mann, der die Kukident-Brigade mit der
Berechnungsformel für den idealen Eintunkverlauf von Keksen in Tee
beglückte. Sie lautet: L2=ÁDt/4Ë.
"Ladies and Gentlemen", hob schließlich Annals' Chefredakteur und
Zeremonienmeister Marc Abrahams zu den traditionellen Abschiedsworten
an. "Wenn Sie keinen Preis erhalten haben, vor allem aber, wenn Sie
einen bekommen haben - mehr Glück im nächsten Jahr." Bis
dahin liegt Kandidat Grossloch in Hamburg auf Wiedervorlage.
HENRY GLASS
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